Montag, 16. März 2015

Können Gedanken dick machen?

Immer wieder höre ich in der Praxis von Menschen mit Übergewicht: „Ich esse ja fast nichts. Ich brauche nur an Essen zu denken, und schon nehme ich zu.“

Das klingt doch verrückt und unmöglich, oder? Ist es aber nicht! Überraschenderweise scheint daran viel Wahres zu sein. Wissenschaftler haben eine interessante Komponente des Stoffwechsels von Zucker und Kohlenhydraten entdeckt, die cephalische Phase der Insulinreaktion.

Wenn wir kohlenhydratreiche Nahrungsmittel wie Pasta, Brot, Kuchen, Cornflakes oder Säfte zu uns nehmen, wird Insulin ausgeschüttet, um den Zucker in die Zellen  zu befördern. Insulin hat aber noch eine andere Funktion. Es signalisiert dem Körper Fett zu speichern und den Muskelaufbau zu behindern. Also genau das Gegenteil von dem, was wir anstreben, wenn wir Abnehmen wollen.

Was hat nun die cephalische Phase der Insulinreaktion damit zu tun? Nun, sie besagt, dass die Insulinausschüttung nicht erst startet, wenn wir Kohlenhydrate gegessen haben, sondern bereits dann, wenn wir an die Gummibärchen denken oder sehnsüchtig die Torte im Schaufenster des Bäckers betrachten.

Die Verdauung einer kohlenhydratreichen Mahlzeit beginnt tatsächlich im Kopf, bevor überhaupt ein Krümel unsere Lippen überquert hat. Es gibt eine enge Kommunikation zwischen unserem Gehirn im Kopf und dem „Bauchhirn“. Das Bauchhirn oder enterale Nervensystem steuert die Funktionen aller Verdauungsorgane: Speicheldrüsen, Speiseröhre, Magen, Bauchspeicheldrüse, Dünndarm, Dickdarm, Gallenblase, Leber. Es hat etwa so viele Nervenzellen wie das Rückenmark – mehr als 100 Millionen.

Mit anderen Worten, unser Bauch ist ganz schön klug. Es registriert nicht nur, was wir essen, sondern auch, was wir denken, fühlen, glauben, sehen, riechen, berühren oder schmecken.

Was heißt das nun für den typischen Übergewichtigen, der gerne ein paar Kilos loswerden will und eine Diät nach der anderen ausprobiert?

Er oder sie wird sich wahrscheinlich unterkalorisch ernähren, dauernd hungrig sein und ständig ans Essen denken. Und sehr wahrscheinlich kreisen die Phantasien vor allem um all die leckeren „verbotenen“ Köstlichkeiten wie Eiscreme, Schokolade, Pommes, Bier….

Und wie wir nun wissen, ist genau das der Schnellstarter für die cephalische Phase der Insulinantwort und der Körper wird überschüttet mit dem Heißhunger und Hüftspeck produzierenden Hormon, obwohl gar keine Kohlenhydrate im Anmarsch sind!

Das bedeutet, dass die Insulinspiegel künstlich hoch gehalten werden und das Insulin steht bereit, ohne wirklich etwas zu tun zu haben. Programmgemäß wendet es sich also seiner sekundären Aufgabe zu, nämlich Fett zu speichern und Muskelaufbau zu verhindern.

Wenn wir nun noch den Stress berücksichtigen, den es bedeuten kann, eine Diät durchzuhalten und sich selbst Nahrung und Befriedigung vorzuenthalten, dann kommen auch noch hohe Kortisonspiegel hinzu und der hormonelle Dickmach-Cocktail ist komplett.

Durch ständiges Phantasieren über kohlenhydratreiches Essen und eine stressreiche Lebensweise, hat unser abnehmwilliger Kandidat eine Situation erschaffen, in der durch chronisch erhöhte Insulin- und Kortisonspiegel auch ohne jegliche Kalorienzufuhr alle Ampeln auf Gewichtszunahme stehen.

Es ist wohl kaum möglich, wenn man Hunger hat keine Phantasien über leckeres Essen zu haben. Das ist nicht der Punkt! Es geht darum, sich diese Leckereien zu gönnen, aber es bewusst und kontrolliert zu genießen. Wenn Sie sich die Befriedigung und Sättigung erlauben, die Sie brauchen und dann zur nächsten schönen Erfahrung weitergehen, dann brauchen Sie nicht darüber nachdenken, was Sie nicht haben oder dürfen. So einfach ist das.

Die Betonung liegt auf bewusst und kontrollier! Was immer Sie wirklich stark lockt, erlauben Sie sich eine kleine Menge davon und lassen Sie es genüsslich auf der Zunge zergehen. Und dann wenden Sie sich anderen schönen Aktivitäten zu! Es gibt so viele Wege, sich selbst eine Freude zu bereiten, die nichts mit Essen zu tun haben!

Und sollte das eine oder andere Nahrungsmittel wirklich ungünstig für Sie sein, dann sorgen Sie dafür, dass auf andere Weise der Genuss in Ihrer Ernährung gewährleistet ist.

Für viele Menschen ist Befriedigung beim Essen fast ein Tabu geworden. Sie sind konditioniert darauf, dass nur durch Verzicht und Mangel das Gewicht reduziert werden kann. Jedoch wenn wir die Biologie unseres Körpers bekämpfen, erschaffen wir genau die Situation, die wir vermeiden wollten.

Anstatt sich selbst zu kasteien und ständig im Mangelstress zu sein und wie ein Verhungernder zwanghaft über Essen zu phantasieren, finden Sie das richtige Mittelmaß an vernünftiger Reduktion der Kalorienzufuhr und dem genussvollem aber kontrolliertem Essen der Nahrungsmittel, die Ihnen wirklich schmecken!

Man könnte es auch anders sagen: Wenn Sie abnehmen wollen, kommen Sie heraus aus Ihrem Kopf, lassen Sie sich nicht von irgendwelchen Diätvorschriften Ihr Leben diktieren, sondern spüren Sie hinein in Ihren Körper und nehmen Sie wahr, was Sie wirklich brauchen. Das beruhigt das zwanghafte Denken ans Essen, entspannt und schafft so die hormonelle Grundlage, mit der das Abnehmen ganz leicht und wie von selbst geschehen kann.


Mit den besten Wünschen
Ihre Dr. Franziska Schindler

www.drschindler-berlin.de

 

 

 

 

 

 

 

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